Eröffnung: Freitag, 25. Oktober 2019, 19:00 Uhr
HMKV, Dortmunder U | Ebene 3 | 26. Oktober 2019 – 22. März 2020
Ab 26. Oktober 2019 ist die aufwändig recherchierte internationale Gruppenausstellung Artists & Agents – Performancekunst und Geheimdienste im HMKV zu sehen. Kuratiert wird die in Kooperation mit dem Slavischen Seminar der Universität Zürich entstehende Ausstellung von Inke Arns, Kata Krasznahorkai und Sylvia Sasse.
Nach 1990 wurden viele Geheimdienstarchive der ehemaligen Ostblock-Länder für die wissenschaftliche Forschung geöffnet. Dadurch war es erstmals möglich, die Dokumentation von Kunst durch Spitzel und die Einflussnahme der Geheimdienste auf künstlerische Arbeiten zu untersuchen. Die Ausstellung will vor allem die Interaktion von Geheimdienstaktionen und Performancekunst zeigen, jener Kunstrichtung, vor der sich die totalitären Staaten Osteuropas am meisten fürchteten.
Die Recherche für dieses Projekt hat verdeutlicht, dass die Geheimdienstakten wenig über die Beobachteten, viel hingegen über die Ängste und Strategien der Beobachter*innen offenbaren. Diese Ängste und Strategien, die sich selbst bis in die kleinsten Details dieser Akten zurückverfolgen lassen – Narrative, Wortwahl, Abkürzungen, Satzzeichen und Auslassungen –, sind nicht nur für die Kunstgeschichte von besonderer Bedeutung, sondern leisten auch einen Beitrag zur Sensibilisierung der heutigen demokratischen Gesellschaften für die Gefahren und Warnzeichen von Diktaturen. Die Geheimdienstberichte dokumentieren, zuweilen bis ins kleinste Detail, künstlerische Tätigkeiten; sie sprechen von der Überwachung und „Bearbeitung” („Zersetzung”, „Liquidierung”) der Künstler*innenszene und geben Informationen über das aktive, operative Eingreifen des Staates in die künstlerische Produktion preis. Allerdings verwendeten nicht nur die Künstler*innen performative Techniken; auch die Agent*innen mussten „performen”, um relevante Informationen über Performancekunst zu gewinnen.
Um die Relevanz dieser Fragen für die Gegenwart zu verdeutlichen, findet die Ausstellung 2019 statt, in dem Jahr, in dem sich der Fall des Eisernen Vorhangs zum 30. Mal jährt. In der DDR war es die demokratische Opposition (darunter auch viele Künstler*innen), die 1989 die Stasi-Zentralen stürmte und die Vernichtung der Akten durch Stasi-Mitarbeiter*innen stoppte. Im Vorfeld der Ausstellung wurden umfangreiche und gezielte Recherchen in Geheimdienstarchiven in Ungarn, Polen, der Tschechischen Republik, Rumänien und Deutschland durchgeführt. Die Ausstellung konzentriert sich auf Beispiele aus diesen Ländern aus den Jahren 1960-1990.
Mit: Laszlo Algol / Gusztav Haberman / „Pécsi Zoltán” (HU), Alexandru Antik (RO), Tina Bara & Alba d’Urbano (DE), Kurt Buchwald (DE), Bulldozerausstellung (RU), György Galántai / Artpool (HU), Ion Grigorescu (RO), Sanja Iveković (HR), Voluspa Jarpa (Chile), Jens Klein (DE), Daniel Knorr (RO/DE), Csilla Könczei (RO), Korpys/Löffler (DE), Jiří Kovanda (CZ), Károly Elekes & Árpád Nagy, MAMÜ-Gruppe (RO), Simon Menner (DE), Arwed Messmer (DE), Clara Mosch (DE), Orange Alternative (PL), Peng! Collective (DE), Józef Robakowski (PL), Cornelia Schleime (DE), Nedko Solakov (BG), Gabriele Stötzer (DE), Tamás Szentjóby / Gábor Altorjay (HU), u.a.
Sowie Akten der/des: Politischen Polizei, Schweiz; MfS (Ministerium für Staatssicherheit), DDR; SB (Służba Bezpieczeństwa), VR Polen; ŠB (Štátní bezpečnost), ČSSR; KGB (Komitet gosudarstvennoj bezopasnosti), UdSSR; BM, VR Ungarn; Securitate, Rumänien
Eine Ausstellung des HMKV (Hartware MedienKunstVerein) in Kooperation mit dem Slavischen Seminar der Universität Zürich (CH)
Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
Der HMKV wird gefördert durch die
Kulturbetriebe Stadt Dortmund / Dortmunder U
Das Buch “Artists & Agents. Performancekunst und Geheimdienste” ist im Oktober bei spector books (Leipzig) erschienen. Mit Beiträgen von Mădălina Brașoveanu, Liliana Gomez-Popescu, Anna Krakus, Kata Krasznahorkai, Elisabeth Pichler, Tomáš Pospiszyl, Łukas Ronduda, Sylvia Sasse, Tamás Szőnyei und Anikó Szűcs.
Klappentext:
Subversion gehört niemandem. Sie kann von KünstlerInnen ausgehen, die den Staat überlisten, oder von Geheimdiensten, die mit staatlichem Auftrag die Kunstszene unterwandern. Doch was passiert, wenn beide Seiten aufeinander treffen?
Seit der Öffnung der ehemaligen Staatssicherheitsarchive in vielen Ländern Osteuropas kann man diese Interaktion detailliert untersuchen. Im Buch wird in wissenschaftlichen Essays und künstlerischen Beiträgen gezeigt, wie die Geheimpolizei Happenings, Performance Art und Aktionskunst überwachte, über die neue Kunstform debattierte, wie sie die künstlerischen Aktionen nicht nur detailliert und forensisch dokumentiert hat, sondern auch manipulierte und mit Gegenaktionen zu verhindern versuchte. Das Buch zeigt aber auch, wie KünstlerInnen mit dem potentiellen Blick der Geheimpolizei umgegangen sind und wie sie mit dem Material, das in den Geheimdienstarchiven liegt, heute arbeiten.
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