Ausstellungsdauer 12.4.–7.7.2019 (3.5.2019 – geschlossen)
Öffnungszeiten Mi 13–20 Uhr, Do & Fr 15–19 Uhr, Sa & So 14–18 Uhr
Eintritt 4/3 €, Freitag Eintritt frei Führungen 13.4., 11.5., 15.6., 6.7.2019, jeweils 16 Uhr
Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellen sich vor allem Dichter*innen und Künstler*innen in Osteuropa der Herausforderung, die kommunikative und politisch-ideologische Indienstnahme der Sprache zu reflektieren und zu erforschen. Sie tun dies mit ästhetischen Mitteln, indem sie die materielle und mediale Dimension der Sprache ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken und für sich und ihr Publikum performative Situationen schaffen, in denen Möglichkeiten sprachlicher Äußerung erprobt, durchgespielt und ausagiert werden. Die Ausstellung präsentiert Autor*innen aus den Subkulturen sozialistischer Staaten neben zeitgenössischen Positionen.
Damals wie heute gewinnen Poetry & Performance in politischen Krisenzeiten eine besondere Brisanz, da in diesen ephemeren und flexiblen Formen Zusammenhänge behandelt werden können, die ansonsten unbesprochen blieben.
Künstler*innen Milan Adamčiak • Akademia Ruchu • Nikita Alekseev • Gábor Altorjay • Pavel Arsenev • Damir Avdić • Babi Badalov • Bosch+ Bosch (Attila Csernik • Slavko Matković • László Szalma) • Collective Actions Group • Coro Collective • Ľubomír Ďurček • Else Gabriel / Via Lewandowsky • Rimma Gerlovina • Jelena Glazova • Tomislav Gotovac • Group of Six Artists • Bohumila Grögerová / Josef Hiršal • Gino Hahnemann • Tibor Hajas • Václav Havel • Jörg Herold • Semyon Khanin (Orbita) • Vladimir Kopicl • Dávid Koronczi • Katalin Ladik • Yuri Leiderman / Andrey Silvestrov • Via Lewandowsky/ Durs Grünbein • Vlado Martek • Kirill Medvedev • Jan Měřička • Andrei Monastyrski • Ladislav Novák • Pavel Novotný • NSRD (Hardijs Lediņš • Juris Boiko • Imants Žodžiks) • OHO Group (Nuša & Srečo Dragan • Naško Križnar) • Orange Alternative • Roman Osminkin • Ewa Partum • Bogdanka Poznanović • Dmitri Prigov • Pussy Riot • Lev Rubinstein • Mladen Stilinović • Gabriele Stötzer • Tamás Szentjóby • Bálint Szombathy • Slobodan Tišma • Dezider Tóth (Monogramista T.D) • Raša Todosijević • Jaromír Typlt • Jiří Valoch
Kurator*innen Tomáš Glanc, Sabine Hänsgen, beide Universität Zürich (Slavisches Seminar, Projekt „Performance Art in Eastern Europe“)
In Zusammenarbeit mit Dubravka Ðurić, Daniel Grúň, Emese Kürti, Claus Löser, Pavel Novotný, Branka Stipančić, Darko Šimičić, Māra Traumane
Begleitprogramm Denise Ackermann, Frank Eckhardt, Tomáš Glanc, Sabine Hänsgen
Workshop: Poetry & Performance. Die osteuropäische Perspektive
Wenn die öffentliche und politische Sprache verarmt oder zynisch instrumentalisiert ist, wird die Poesie zu einem Mittel von Reflexion und Kritik. In Osteuropa finden wir eine über viele Dekaden sich entwickelnde Sensibilität für die Macht und zugleich für die Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit der Sprache. Die Ausstellung „Poetry & Performance“ in der Motorenhalle zeigt Autor*innen aus den Subkulturen sozialistischer Staaten neben zeitgenössischen Positionen, die deren Erbe fortführen.
Im Seminar werden Expert*innen aus verschiedenen Ländern die mit der Ausstellung verbundenen Fragen anhand von konkreten künstlerischen Arbeiten – Textpartituren, interaktiven Objekten, Sound und Video Recordings sowie Performance-Dokumentationen – diskutieren.
Ansprechpartner*innen Tomáš Glanc, Sabine Hänsgen, beide Universität Zürich (Slavisches Seminar, Projekt „Performance Art in Eastern Europe“)
→ Weitere Informationen zur Ausstellung „Poetry & Performance“ und dem gesamten Begleitprogramm finden Sie unter www.motorenhalle.de.
Film: Abwehr und Aneignung. Poesie und filmische Subkultur in der DDR 1976-89
Vortrag mit Filmbeispielen von Dr. Claus Löser, Berlin
Die filmische Subkultur der DDR hob sich in ihrem Gestus deutlich ab vom staatssozialistischen Filmschaffen. In den Bildern der DEFA konnte man sich kaum wiederfinden. Deshalb begab man sich mit provisorischen Mitteln auf die Suche nach eigenen Bildern. Und da es ohnehin lächerlich gewesen wäre, mit den zur Verfügung stehenden Schmalfilmkameras, das „richtige Kino“ nachzuahmen, wurde dies erst gar nicht versucht. Meist ohne Kenntnis der westlichen Filmavantgarde entstand so in der letzten Dekade des Kalten Krieges eine lebendige Szene, die mal lustvoll, mal selbstzerstörerisch ein offenes Terrain eroberte. Die Akteure jener Zeit waren keine „Filmemacher“ im traditionellen Sinn, sondern eigneten sich die bewegten Bilder im Zuge eines umfassenden synästhetischen Prozesses beherzt an. Oft waren sie Musiker, Maler, Fotografen, Poeten und Lebenskünstler in Personalunion. Verschiedenste Gesten der Selbstsuche und fragmentarische Einflüsse der Weltkunst verbanden sich zu einem seltenen Amalgam, in dem auch Poesie und Performance wichtige Bausteine bildeten. Die Filme erweisen sich heute als wichtige Zeugnisse von Abwehr und Aneignung. Der Vortrag zeigt Beispiele dieses kulturhistorischen Phänomens, erläutert politisch-ästhetische Hintergründe und gibt Einblicke in Biografien. Kommentiert und gezeigt werden Werke u.a. von und mit Gino Hahnemann, A.R. Penck, Gabriele Stötzer, Bert Papenfuß und Thomas Plenert.
Gespräch & Film: Black Box: DDR-Underground
Via Lewandowsky, Mitglied der von 1982–1992 bestehenden Auto- Perforations-Artisten sowie der Band „Die Strafe”, und Durs Grünbein, Lyriker, Essayist und Übersetzer sprechen über die Black Box des DDR-Underground, über gemeinsame Erfahrungen und aktuelle Zusammenarbeiten. Die Interferenzen zwischen Text und Bild werden in Filmen und Werkfotos aufgezeigt.
Lecture-Performance: Katalin Ladik (Carte blanche für die Grande Dame der poetischen Performance in Osteuropa)
Katalin Ladik schöpft aus der Poesie, schreibt Prosa und Hörspiele, arbeitet mit Collagen, Fotografien und experimenteller Musik. Anfang der sechziger Jahre wurde sie durch ihre feministisch-schamanistischen Lautgedichte und Nackt-Performances zu einer ebenso legendären wie kontroversen Gestalt. In grafischen Partituren und vokalen Kompositionen zerlegt sie die Sprache in ihre Einzelteile, erforscht deren Bewegungen, Dynamiken und Gesten.